5 Anzeichen, dass du von einem Geburtstrauma betroffen bist
Einfühlsam, verständnisvoll und mit einem Blick auf die ersten Schritte zur Heilung.
21. Januar 2025

Ein Schatten, den du nicht ganz abschütteln kannst
Es gibt diese Momente, die man nie vergisst. Für viele Frauen ist die Geburt ihres Kindes einer davon: Sie wird romantisiert, soll einfach magisch sein und ein Neubeginn voller Glückseligkeit und Liebe. Doch dann kommt das böse Erwachen: Sie war alles andere als traumhaft.
Vielleicht fühlst du, dass die Geburt tiefe Spuren hinterlassen hat, die du kaum in Worte fassen kannst. Erinnerungen, die plötzlich hochkommen, Gefühle, die dir fremd erscheinen. Manchmal fühlt es sich an, als hättest du etwas Wertvolles verloren, ohne genau benennen zu können, was es ist.
So ging es auch Luisa (Name geändert). Sie erzählte mir: „Ich dachte, ich müsste mich glücklich fühlen, aber stattdessen habe ich ständig diese Bilder im Kopf. Immer wieder sehe ich was im Kreißsaal passiert ist und weiß nicht, wie ich das abschalten soll. Es ist furchtbar!“
Diese Gedanken und Gefühle können belastend sein, aber sie sind auch ein Signal deines Körpers und deiner Seele, dass etwas Aufmerksamkeit und Bewusstheit braucht. Hier erfährst du, welche Anzeichen auf ein Geburtstrauma hinweisen können und warum es wichtig ist, hinzuschauen.
1. Du vermeidest Erinnerungen an die Geburt
Vielleicht bemerkst du, dass du die Geburt nicht einmal in Gedanken nochmal durchspielen möchtest. Gespräche über das Erlebte fallen dir schwer und wenn andere über die Geburten ihrer Kinder sprechen, ziehst du dich lieber still zurück.
Eine Klientin beschrieb es so: „Ich habe es komplett verdrängt. Ich wollte es nicht fühlen, nicht erinnern – ich habe alles hinter eine fest verschlossene Tür in meinem Kopf verstaut.“
Ehrlicherweise, das Verdrängen ist ein Schutzmechanismus, den dein Körper und Geist entwickelt, um dich vor Schmerz zu bewahren. In erster Linie und hier und da sehr sinnvoll. Doch manchmal wird diese Tür so fest verschlossen, dass es schwer wird, andere Gefühle – wie Freude, Glück oder Erleichterung – durchzulassen.
2. Du fühlst dich distanziert von deinem Baby oder dir selbst
Manchmal ist die Verbindung zu deinem Baby nach der Geburt nicht so, wie du es dir gewünscht hast und wie du es bei anderen siehst. Es könnte sich anfühlen, als wäre da eine Mauer zwischen euch. In deiner Schwangerschaft hast du dir ausgemalt, wie sehr du dieses kleine Geschöpf lieben wirst und nun spürst du das kaum bis gar nicht. Und schämst dich, bist verzweifelt und ratlos.
Auch die Beziehung zu dir selbst kann sich verändert haben. Du bist zwar da, aber nicht wirklich „bei dir“. Es ist, als ob ein Teil von dir im Kreißsaal geblieben wäre.
Diese Distanz ist oft das Ergebnis emotionaler Überforderung. Dein Körper hat während der Geburt alles dafür getan, dich zu schützen – jetzt braucht er Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten.
3. Bestimmte Auslöser rufen Stress oder Angst hervor
Vielleicht bemerkst du, dass du plötzlich angespannt oder ängstlich wirst, ohne dass du den Grund genau kennst. Es könnten Kleinigkeiten sein: ein bestimmter Geruch, ein Geräusch, ein Ort.
Eine Frau erzählte mir, wie schwer es ihr fiel, wieder ins Krankenhaus zu gehen, selbst für eine Routineuntersuchung: „Ich habe mich sofort wieder so gefühlt, wie damals – als ob es gleich wieder losgeht.“
Diese sogenannten „Trigger“ sind wie kleine Schalter, die Erinnerungen und Gefühle wachrufen. Dein Körper erinnert sich an die Geburt, auch wenn dein Verstand versucht, sie zu vergessen. Das ist etwas, was du mit deinem bewussten Verstand auch nicht steuern kannst.
4. Schuldgefühle begleiten dich
Viele Frauen, die eine traumatische Geburt erlebt haben, fühlen sich schuldig. Vielleicht kamen dir auch schon mal Gedanken wie: „Hätte ich anders reagieren sollen? War es meine Schuld, dass alles so schwierig war? Hätte ich stärker sein müssen? Oder habe ich etwas falsch gemacht?“
Eine Klientin, die mit einem Kaiserschnitt gebären musste, sagte einmal: „Ich hatte das Gefühl, dass ich mein Baby im Stich gelassen habe, weil ich es nicht allein geschafft habe. Ich bin keine vollwertige Mutter!“
Schuldgefühle entstehen häufig, weil wir die Kontrolle über die Situation verloren haben. Besonders Frauen, die sich vorher gut auf die Geburt vorbereitet haben – durch Kurse, Bücher oder mentale Vorbereitung – fühlen sich danach, als hätte all das nichts gebracht. Diese Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität kann dazu führen, dass wir die Schuld bei uns selbst suchen.
Es ist wichtig, zu verstehen: Du hast in der Geburtssituation dein Bestes gegeben. Egal, ob du unter Schmerzen, Stress oder Angst standest – dein Körper und Geist haben alles getan, um dich und dein Baby sicher durch diese Situation zu bringen. Manchmal ist es einfach die Unberechenbarkeit einer Geburt, die alles verändert. Vielleicht waren medizinische Entscheidungen notwendig, die du nicht beeinflussen konntest. Vielleicht war dein Körper erschöpft oder die Umstände einfach zu herausfordernd.
5. Du fühlst dich überfordert oder „nicht wie du selbst“
Nach einer traumatischen Geburt kann sich dein Alltag plötzlich schwerer anfühlen – selbst Dinge, die dir früher leicht von der Hand gingen. Vielleicht merkst du, dass deine Geduld kürzer geworden ist, dass dir Kleinigkeiten den Boden unter den Füßen wegziehen oder dass du dich emotional ausgelaugt fühlst. Und gemeint ist hier nicht die „normale“ Erschöpfung, die mit einem Baby und Schlafmangel entsteht.
Eine Klientin erzählte mir einmal: „Ich hatte das Gefühl, ich funktioniere nur noch, aber das bin nicht ich. Ich war müde, gereizt, habe mich mit allem überfordert gefühlt und dachte, ich wäre einfach keine gute Mutter.“
Dieses Gefühl, „nicht du selbst“ zu sein, hat nichts mit deiner Kompetenz oder Stärke zu tun. Es ist eine natürliche Reaktion deines Körpers und Geistes auf eine traumatische Erfahrung. Dein System hat viel Energie aufgebracht, um die Geburt zu überstehen – und jetzt zeigt es dir, dass es Zeit braucht, um sich zu erholen.
Dein inneres Gleichgewicht ist wie ein Mobilé, das während der Geburt aus dem Lot geraten ist. Es braucht Zeit, bis es sich wieder beruhigt und in Balance kommt.
Warum du diese Überforderung ernst nehmen solltest
Überforderung und das Gefühl, „nicht du selbst“ zu sein, sind nicht nur vorübergehende Zustände, die von allein verschwinden. Sie sind Signale deines Körpers, dass er Unterstützung braucht – sei es durch Selbstfürsorge, Gespräche oder professionelle Begleitung. Je früher du diese Signale ernst nimmst, desto leichter fällt es, sie zu verarbeiten. Dein Körper und Geist versuchen nicht, dich zu bestrafen – sie bitten dich um Aufmerksamkeit und Mitgefühl.
Und warum sind all diese Anzeichen wichtig?
Es ist leicht, die eigenen Gefühle und Empfindungen herunterzuspielen, besonders wenn das Baby gesund ist und dein Umfeld vielleicht sagt: „Aber Hauptsache, alles ist gut gegangen.“
Doch diese Anzeichen sind keine Schwäche und auch kein Zeichen dafür, dass du „nicht stark genug“ bist. Sie sind wie ein innerer Wecker, der dich darauf aufmerksam macht, dass etwas Aufmerksamkeit braucht.
Ein Geburtstrauma ist nicht „dein Fehler“ – es ist eine Reaktion deines Körpers und Geistes auf eine überwältigende Erfahrung. Deine Gefühle und Empfindungen sind ein Hinweis darauf, dass du Unterstützung verdienen und annehmen darfst.
Was passiert, wenn du die Anzeichen ignorierst?
Viele Frauen versuchen, diese Gefühle zu verdrängen oder einfach „weiterzumachen“. Doch ungeheilte Wunden bleiben bestehen und können langfristig zu anderen Problemen führen – wie ständiger Erschöpfung, chronischem Stress oder Schwierigkeiten in der Bindung zu deinem Kind.
Indem du diese Anzeichen erkennst und darauf reagierst, gibst du dir selbst die Chance, diese Erfahrung zu verarbeiten und wieder in deine innere Balance zu finden.
Erste Schritte, um den Weg zur Heilung zu beginnen
- Erlaube dir, so zu fühlen, wie du dich fühlst.
Deine Gefühle sind kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Teil deiner Heilung. - Sprich mit jemandem, dem du vertraust.
Das kann eine Freundin, dein Partner oder eine Fachperson sein. Worte können Wunder wirken. - Überlege, ob du professionelle Unterstützung suchst.
Methoden wie EMDR oder Hypnose können dir helfen, belastende Erinnerungen sanft zu verarbeiten. - Versuche dir zu verzeihen. Ein kleiner Satz, den du dir selbst immer wieder sagen kannst, ist:
„Ich habe mein Bestes gegeben – und das war alles was mir möglich war.“
Fazit: Der erste Schritt ist der wichtigste
Es braucht Mut, sich mit diesen Anzeichen auseinanderzusetzen – und du hast diesen Mut bereits gezeigt, indem du diesen Artikel gelesen hast.
Vielleicht fühlst du dich gerade auch überfordert von all dem, was du eben gelesen hast. Aber allein der Gedanke, dass du dir diese Anzeichen anschaust und sie ernst nimmst, ist ein mutiger Schritt in Richtung Heilung.
Und denk dran: Es gibt Möglichkeiten, dir Unterstützung zu holen – sei es durch Gespräche, praktische Übungen oder professionelle Methoden wie EMDR oder Hypnose.
Du bist es wert, dir Zeit und Raum für Heilung zu nehmen. Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt, und du bist mutig genug, diesen Schritt zu gehen. Und zum Schluss: Du musst diesen Weg nicht allein gehen – ich bin hier, um dich zu begleiten.

Mit lieben und ermutigenden Grüßen,
Maria
Coachin für Geburtstrauma, EMDR & Hypnose